k-bulletin nr.3 <kollektive/arbeit>
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Martin Krenn und Oliver Ressler

Unsere Arbeitsgemeinschaft bildeten wir vor fünf Jahren, als die Fremdengesetze in Österreich durch den damaligen sozialdemokratischen Innenminister Franz Löschnak verschärft wurden und rassistische und neurechte Ideologien erstarkten. Wir entschieden uns, verschiedene Ansätze unserer künstlerischen Arbeit zu bündeln und unsere Projekte nicht nur in Kunsträumen, sondern auch im öffentlichen Raum zu realisieren, um über die Grenzen des Kunstfeldes hinaus an politischen Debatten zu partizipieren und bestimmte Sichtweisen und Standpunkte in diese einfliessen lassen zu können.

Die von uns 1995 in Wien realisierte Plakatserie „Die Neue Rechte – Materialien für die Demontage“ konfrontierte Zitate der Neuen Rechten mit ausgewählten Texten, die sich kritisch mit diesen Positionen auseinandersetzten. Diesen Textzeilen wurde eine Linie unterlegt, die die Notwendigkeit von Standpunkten gegen die Neue Rechte unterstrich und zusätzlich einen Strich durch die strategisch verschleiernde Rhetorik der Neuen Rechte machte. Begleitet wurde die Plakatserie durch Videointerviews mit PassantInnen. Deren Reaktionen und Kritiken wirkten sich auf die Konzeption unseres nächsten Projekts aus.

„Gelernte Heimat“ hatte 1996 die Konstitution von nationalistischen „Beheimatungsstrategien“ zum Thema. Zwei mit Textfeldern ergänzte Sachunterrichtsbuchseiten auf einem grossformatigen Plakatobjekt am Grazer Hauptplatz animierten die BetrachterInnen, sich mit Heimatkonstituierung an Hand ihrer eigenen Schulerfahrungen auseinanderzusetzen. Bei „Gelernte Heimat“ entschieden wir uns für ein leicht lesbares Layout und Texte, die die LeserInnen unmittelbar ansprechen. Durch eine von uns kommentierte stark vergrößerte Schulbuchseite, die eindeutig nationalistisches bzw. sexistisches Gedankengut zum Inhalt hatte, wurden Heimatkonstitution und nationale Stereotypien in Frage gestellt. Die Videodokumentation über die durch das Plakatobjekt ausgelösten Diskussionen am Grazer Hauptplatz wurde kurze Zeit später im Rahmen der parallel stattfindenden Ausstellung „Gelernte Heimat“ in der Neuen Galerie gezeigt. Ein zweites Video thematisierte die Verschränkung von Heimatkonstitution und staatlich reguliertem Rassismus.

Ein Jahr später führten wir unter dem Motto „Institutionelle Rassismen“ ein Projekt durch, welches sich aus einem Plakatobjekt vor der Wiener Staatsoper, einer Ausstellung in der Kunsthalle Exnergasse und Radiobeiträgen, Zeitungsinserts und Texten zusammensetzte. Auf dem Plakatobjekt wurde ein über eine fotografierte Schubhaftfassade gesetzter Info-Text in deutscher, englischer und italienischer Sprache gezeigt. Die vierte Seite des Plakatobjekts informierte detaillierter ebenfalls dreisprachig unter der Headline „Wissenswertes über Österreich“ über die rassistische Schubhaftpraxis in diesem Land.
In der Ausstellung wurde ergänzend zu Widerstandsmaterialien ein Video mit leitenden Beamten aus Österreich und Deutschland, die wir zu Abschiebehaft und anderen Abschottungsmechanismen interviewt haben, gezeigt. Der Abteilungsleiter für fremdenpolizeiliche Angelegenheiten im Innenministerium und der Bundesasylamtschef von Österreich, ein Ministerialdirigent für Asyl- und Ausländerangelegenheiten und der Ministerialdirektor des Bundesministerium des Inneren in Bonn versuchen darin, die nationalen und supranationalen institutionellen Rassismen zu rechtfertigen.

Die durch institutionelle Rassismen angeheizte nationalistische und fremdenfeindliche Stimmung in Österreich mündete im Oktober 1999 in ein Wahlergebnis, bei dem die rechtsextreme FPÖ mit 27 Prozent zweitstärkste Partei wurde. Eine Regierungsbeteiligung war absehbar. Darauf formierten sich verschiedenste Initiativen gegen eine „Koalition mit dem Rassismus“. Im Kunstbereich wurde das Label gettoattack [http://www.t0.or.at/gettoattack] ins Leben gerufen, unter dem künstlerische Aktionen und Diskussionsveranstaltungen organisiert und zu Demonstrationen aufgerufen wurde. Jede/r, die/der sich mit den Grundsätzen von gettoattack einverstanden erklärt, wurde eingeladen, Texte bzw. künstlerische Arbeiten unter diesem Label zu lancieren. Die politische Entwicklung in Österreich führte damit nun auch zu einer verstärkten Politisierung von KulturproduzentInnen in der Öffentlichkeit. Die Antirassismusdiskussionen im vertrauten Kreis werden nun unter dem offensichtlichen Druck der politischen Ereignisse auf die Straße verlagert.
Neben Gruppen wie Kein Mensch ist illegal!, Tatblatt, Revolutionsbräuhof und anderen antirassistischen Initiativen und MigrantInnengruppen, die bereits vor dem Wahlergebnis aktiv gewesen sind, bildet gettoattack damit eine zentrale Plattform eines politischen Widerstands, der über eine reine Ablehnung der FPÖ als Regierungspartei hinausgeht.
Bei den Strategiebesprechungen und Aktionen von gettoattack hatten wir den Eindruck, daß diese Form eines Labels, in dessen Zentrum vernetztes Handeln steht, unter den geänderten Kultur/politischen Voraussetzungen eine weitere effektive Möglichkeit bietet, an gesellschaftlichen Diskursen zu partizipieren und Einfluß auf die politische Entwicklung zu nehmen.

Martin Krenn, Oliver Ressler


Martin Krenn < m.krenn@t0.or.at >
www.t0.or.at/stickers (Stickers gegen FPÖVP zum selberdrucken)
http://schuelerInnenforum.t0.or.at

Oliver Ressler < oliver.ressler@chello.at >
http://thing.at/the_global_500
www.lot.at/politics/contributions/oliver1.htm
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