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Wirtschaftsmodell
Bastelbogen Edition für Supermarkt (24.1. - 8.3.1998), Shedhalle Zürich
in Zusammenarbeit mit Res Strehle (Ökonom und Publizist)
Zürich 1998

"We'll let them feel the trends" beteuert Paul Noble, CEO von Nasdaq, gegenüber dem Reporter von "Wired" angesichts der 100-Monitor grossen Informationswand auf dem 9. Stock des Firmenhauptsitzes. Nasdaq ist einer der grossen Informationsbroker im Bereich Wirtschaftsdaten. Über die repräsentative Infowall flimmern live alle Daten, welche weltweit zum aktuellen Geschehen auf den Finanz- und Börsemärkten zusammengetragen werden, von Reuters bis CNN und CNBC. Bunte Kurven, Zahlenreihen neben den bekannten Logos der weltweit grössten Holdings und Konzernen, nervöse Ticker und dazwischen die smarten Ansager von "Money wheel", "Street Signs" oder "Market wrap". Die Daten kommen über Kabel und über Satellit rein, direkt von den Banken und Börsen von Tokio, Hongkong, Frankfurt, London, New York und Zürich und sie werden sofort an TV-Stationen, Telefon- und Pager-Infolines, Wirtschaftsfaxdienste, Zeitungen und Journale, Radiostationen, Onlinedienste etc.. weiterverkauft. "We'll let them feel the trends" ist Werbespruch und Programm zugleich. Der Finanz- und Aktienmarkt, mittlerweilen einer der gewichtigsten Faktoren jeder Volkswirtschaft, kennt tatsächlich keine Waren mehr und muss sich nicht mehr mit den Frage von Lagerraum, Transportlogistik, Produktionsinfrastruktur und Verkaufsfläche rumschlagen. Was davon übriggeblieben ist, ist ein ständig wachsender Strom von Daten und Informationen, welcher sich auf den zahllosen Infomontoren und Videowalls, in den Tickern, auf TV, im Internet, in Zeitungen und über Telefon rund um die Welt zu einer Darstellungen eines realen Geschehens konkretisiert.
Was für die Idee Markt als zentrale, regulierende Konstruktion der Wirtschaft allgemein gilt, nämlich die Naturalisierung wirtschaftlicher Entwicklung und die damit verbundene Unantastbarkeit wirtschaftlicher Realität, gilt insbesondere für das Konzept Kapital- und Aktienmarkt. Die reine Produktivität des Kapitals ohne Rückbindung an gesellschaftliche Notwendigkeiten oder reale tägliche Bedürfnisse bedarf einer gezielten Legitimation, einer konstanten PR-Anstrengung, um als glaubwürdiges Faktum wirtschaftlicher Realität akzeptiert zu werden. So nehmen die Daten der Finanzindustrie längst ihren Platz in jedem erdenklichen Medium ein, von ihrer Konstanz und Stetigkeit her nur noch mit dem Wetterbericht zu vergleichen. Hochs und Tiefs folgen aufeinander, gleichsam "Launen der Natur". Es werden Trends aufgespürt, Prognosen gemacht, Modelle errechnet, Entwicklungen beschrieben und Analysen erstellt.

Die auf dem Bastelbogen zusammengetragenen Informationen betreffen allerdings die etwas anderen Effekte der momentan geltenden Wirtschaftsdoktrin. Die zusammengetragenen Daten beziehen sich auf die Entwickung der letzten fünf Jahre und weisen auf die realen geseschaftlichen Effekte des sog. Neoliberalismus hin. Dazu gehören Deregulation und Reorganisation, Machtkonzentrationen durch Fusionen, Abbau der dem Staat zur Verfügung stehenden Mittel, Sozialabbau, sinkende Durchschnittseinkommen, zunehmende Kapitalkonzentration, Arbeitslosigkeit, Privatisierungsideologie und Dienstleistungsphilosophie.

©psp 2000