home news economies landscapes, leisure and tourism cultural practices images sites editions texts identities index contact
back text
Money Behaviour

Privat Banking – Kapital liegt im Trend

(Bild Anzeige Gutzwiller)

In der Liga der wichtigen Finanzplätze der Welt, jener Global Cities also, welche sich zu den bedeutendsten Handelsplätzen für Kapital entwickelt haben, nimmt die Schweiz und insbesondere Zürich eine ganz spezifische Rolle ein. Während in Frankfurt und London, New York, Hongkong und Tokyo der wesentlichste Anteil am europäischen, bzw. amerikanischen und asiatischen Handel getätigt wird, hat sich der Finanzplatz Schweiz seit langem auf den Handel mit Privatvermögen spezialisiert. Zahlen von 1994 sagen aus, dass die Schweizer Banken einen Anteil von 80% im europäischen und 35% - 45% im weltweiten Handel mit Privatvermögen kontrollieren. Das bedeutet, dass fast die Hälfte aller privaten Vermögen in der Schweiz oder über die Schweiz verwaltet werden. Oder mit anderen Worten, dass die kitschigsten Clichées aus allen möglichen Gansterfilmen und Krimis von der Realität bei weitem übertroffen werden. In einer 1995 durchgeführten Erhebung ergab sich eine Summe von 2340 Milliarden SFr. Vermögen, welches von Schweizer Banken betreut wurde, bei einer erwarteten Wachstumsrate von jährlich 10%. Tatsache ist, dass die Geschichte der "guten Dienste" der Banken in der Schweiz eng mit den liberalen Idealen eines neutralen, basisdemokratischen, föderalistischen und wehrhaften Kleinstaates verbunden ist, welche von Figuren wie dem Unternehmer E.Gutzwiller vertreten wurden und über die sich die Schweizerische Eidgenossenschaft in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts konstituiert und bis heute legitimiert hat.

Allerdings lebt heute das "Privat Banking", wie sich die Verwaltung von privatem und institutionellen Vermögen nennt, nicht mehr alleine von liberaler Verschwiegenheit und toleranter Diskretion. Tatsächlich ist Privat Banking und der damit beabsichtigte Zugriff auf das weit herum verstreute private Vermögen von kleineren und grösseren Sparern ein wichtiger Zweig des ständig an Bedeutung zunehmenden Finanzmarktes. Dabei wurden Sparhefte und Konten auf der Bank längst von einer ganzen Palette von eigentlichen Anlageprodukten, Strategien und Dienstleistungen abgelöst, aus denen der solvente Kunde das ihm passende auswählen kann. Ein Aspekt des Finanzmarktbooms ist Diversifikation. Das im Grunde ganz einfache und sozusagen klassische Geld-gegen-Zins-Geschäft wird durch ein ständig wachsendes Angebot von unterschiedlichen Anlageprodukten ersetzt. Die aktuelle Auswahl reicht zum Beispiel von Aktien, über Devisen und Fonds-Anteile zu Derivaten wie Optionen, Futures oder Swaps. Der nun schon seit Anfang der 90er Jahren anhaltende Boom des Finanzmarktes, lässt sich in diesem Zusammenhang vorallem in Europa auch als eine von den Medien breit gestützte Popularisierung der gesamten Finanz-Branche, ihrer Arbeits- und Denkweise und der entsprechenden Produkte auffassen, eine Entwicklung, die parallel zur Renaissance neoliberaler Konzepte für Politik und Gesellschaft läuft.

Aber Kapital ist unattraktiv, Kapitalanlage langweilig und deshalb als Massenprodukt ungeeignet. Oder anders gesagt, der Finanzmarkt mit seinem neuen populären Aproach vom Gambler bis zum bieder-seriösen Aktiensparer, der auf Rentenaufbesserung hofft, ist längst Ausdruck und zugleich Ergebnis einer kulturellen Strategie. Verfolgt man die Argumentationen der Promotoren dieses neuen Umgangs mit Geld anhand einiger Anzeigen von Finanzinstituten und ihren Produkten, wird allerdings schnell klar, dass der "Trend zu privatem Kapital" entlang einer bekannten Reihe von sozusagen klassischen Motiven des konservativen Diskurses über Gesellschaft läuft.


a) Naturalisierung: Der Markt

(Bild Anzeige Blühende Anlage)

Grundsätzlich erscheint die Notwendigkeit, mit Geld, was ich schon besitze, noch mehr Geld zu verdienen, nicht gerade naheliegend. Das Naheliegende stellt sich erst zusammen mit der Verwendung von naturalisierenden Metaphern wie "wachsender Markt", "blühende Wirtschaft" und "reichliche Ernte" her. Die Tradition den Markt und die darin ablaufenden Prozesse so zu verhandeln, als wären sie ein natürliches Phänomen, durchzieht bekanntlich den gesamten ökonomischen Diskurs. Angesichts der "unberechenbaren Launen" der Wirtschaft sind dann manchmal selbst Ökonomen am Ende ihres Lateins angelangt. Oder anders herum gesagt, aus dem Diskurs über den Begriff Natur wissen wir ja, wie sehr dieser als Entlastungsmotiv immer da eingesetzt wird, wo Verfügungsansprüche geltend gemacht werden. Der blühende Zweig in einer Anzeige der Vontobel Bank und der Helvetia Patria Versicherungen weist also in diesem Falle auf den gekonnten Umgang mit Kapital hin, darauf was schöneres und besser entwickeltes Kapital ist, wen es via "saphir vitafolio" - ein Anlageprodukt, welches sich durch die gekonnte Mischung von Investition und Versicherung auszeichnet - kultiviert wird.

(Bild Anzeige Swiss Live Harvest)

Gerade der Trend hin zu Mischprodukten, wo Kapitalanlage, Vermögensverwaltung und Lebensversicherungen kombiniert werden, ist ein wichtiger Aspekt der Diversifizierung im Finanzmarkt. Diese Produkte richten sich an Normalverbraucher, einfache Kapitalbesitzer sozusagen, welche kein spezielles Wissen über die Tricks der Kapitalvermehrung brauchen, aber das gesunde Sicherheitsbedürfnis eines Mittelstandeuropäers aufweisen und über einen Vorrat an Kapital für "die schlechteren Zeiten" und für alle möglichen "unvorhersehbare Ereignisse", welche das Leben so mit sich zu bringen pflegt, verfügen wollen. Ein für diesen Fall geeignetes Produkt heisst z.B. "Swiss Life Harvest". Pekuniäre Motive werden in der entsprechenden Anzeige der "Swiss Life" mit einem fast biblisch kitschigen Bild eines reifen Kornfeldes visuell aufgeladen und es wird in einer Art Beschwörungsformel versprochen, dass man sich in aller Ruhe auf eine reichliche Ernte freuen könne.
Bei aller Strapazierung von Naturphilosophismen fällt immerhin einigermassen unangenehm auf, dass das abgebildete Kornfeld von einer nicht zu übersehenden Künstlichkeit umgeben ist. Fast würde man vermuten, dass Gentechnologie im Spiel ist. Immerhin ein Hinweis auf den High Tech Charakter des Produktes, um das es da geht.

(Bild Anzeige Micropal)

Sattes Grün, Blätter von tropischen Pflanzen bilden den visuellen Blickfang einer weiteren Magazin-Anzeige einer Firma im Finanzbereich. Darüber in gepflegter Typografie der Titel "Disvcover the world of mutual funds". Auch hier denke man - von der Werbeagentur vielleicht durchaus beabsichtigt - eher an eine Art chemischen Dünger. Das Produkt oder besser die Firma heisst Micropal und ist Informationsbrocker im Bereich Finanzprodukte. Und man muss zugeben, dass eine Verbindung zwischen der Rolle, welche Informationen für den Finanzmarkt spielen und der Funktion von Dünger in der Agroindustrie bereits eine sehr anvancierte Form des Einsatzes von Naturmetaphern darstellen würde. Im Werbetext läuft allerdings die Assoziation mehr Richtung "sich im Dschungel der Finanzprodukte zurechtfinden" und damit zurück zum eigentlichen Ursprung aller Naturvorstellungen, einer ungeordneten, unkontrollierten und undurchsichtigen kulturbedrohenden Wildnis, welche es zu entdecken und erobern gilt.


b) Rationalisierung: Der Umgang mit dem Markt, Formeln und Informationen

(Bild Anzeige Unsere Formel für mehr Rendite)

"Vermögensverwaltung ist eine Wissenschaft für sich...", lautet der Text einer Anzeige, welche für Dienstleistungen der Dresdner Bank im Bereich der Vermögensverwaltung wirbt. Den Dschungel aller möglichen Finanzprodukte vor Augen, scheint demnach auch plausibel, dass es Spezialisten braucht, welche die passenden Formeln entwickeln, um das komplex System Kapitalmarkt mindestens partiell kontrollieren und kultivieren zu können. Genauso wie Natur als kulturelle Konstruktion nur vor dem Hintergrund der Entwicklung der Naturwissenschaften möglich wird, ist die Geschichte der kapitalistischen Ökonomie eine einzige Geschichte der Domestikation und der diskursiven Aneignung des wirtschaftlich-kulturellen Handelns. Über die komplexe mathematische Verifizierungen, wird der Markt als Phänomen fassbar, zwar immer noch unberechenbar aber seine Ressourcen können nun abgeschöpft werden.

DAX, SPI oder Dow Jones heissen zum Beispiel die Formeln auf nationaler Ebene, die das jeweils noch mehr oder weniger territoriale Faktum Markt über seine Effekte sichtbar machen. Andere Berechnungen basieren anstatt auf nationalen Blue Chips auf den wichtigsten Titeln bestimmter Branchen oder Regionen wie der neu eingeführte STOXX Index, welcher die Börsenentwicklungen europäischer Branchen zusammenfasst.

Der Schlüssel zur Eroberung oder Erschliessung neuer Ressourcen im Finanzmarkt liegt aber nicht alleine im Wissen um die passende mathematische Formel. Entscheidend ist vielmehr der Zugang zu den für die Berechnungen nötigen Daten und Information bzw. die Kompetenz, solche Daten zu erheben und zu verbreiten. So stehen denn auch Informationsbrocker wie NASDAQ oder Dow Jones und die mit ihnen verbundenen Medien wie Reuters oder der 24-stunden Business Channel CNBC im Brennpunkt des täglichen Geschehens an den Finanzmärkten. Entscheidungen für oder gegen ein bestimmtes Angebot zu einem bestimmten Zeitpukt ist nur auf Grund von umfassenden, zuverlässigen und unmittelbaren Informationen über alle für die eigenen Geschäfte möglicherweise relevanten Details möglich. Und das läuft, wie man sich das leicht vorstellen kann, auf der Ebene der wenigen, überhaupt noch im Geschäft mithaltenden Banken, Börsen und Informationsdiensten auf eine gigantische Schlacht um Bruchteile von Sekunden hinaus, welche ausschliesslich mit den Waffen der Informationstechnologie und Software geführt wird. Aber auch der damit verbundene Milliarden-Aufwand dient letztlich nur der Stützung der Behauptung der Relevanz der selber kreierten Informationen.


c) Legitimierung: Autorisierung, Ratings, Competitivnes Reports

Die eigentlichen Hüter aber über das System von Erhebungen, Veröffentlichung, Verbreitung und Analyse der für den Finanzmarkt wichtigen Daten sind jene Instanzen, welche sich dazu auserkoren haben, über die Qualität zu urteilen. John Moody lebte von 1868 - 1958 und legte 1900 mit seiner Veröffentlichung des Moody's Manual of Industrial and Cooperation Securities das Fundament für Moody's Investors Service. "Moody's" oder "Standard and Poor's" oder "Baetge" in Deutschland sind Firmen, welche sich auf das Bonitätsrating spezialisiert haben. Bei den professionellen Produzenten von Glaubwürdigkeit und Legitimation in der Welt des Kapitals prüfen besonders exakte Buchhalter alles, was sich in Bilanzen fassen lässt, Firmen, Städte und ganze Volkswirtschaften. Aufgrund einer Reihe von Kennzahlen werden dann die Noten AAA, AA, A, B oder C verteilt. So hat z.B. der Kanton Zürich AAA während die UBS im Moment gerade in einem speziellen Verfahren neu überprüft wird, ob der Milliardenverlust beim Engagement in einem faulen amerikanischen Hedge-Fond nicht Grund genug ist, die Bank auf AA zurück zustufen. Während ein solches Urteil bei einem Unternehmen bloss den Verlust von einigen solventen Kunden bedeutet, kann es im Falle von Nationalökonomien die Streichung von Milliardenkrediten und damit die Erpressbarkeit eines ganzen Staates zur Folge haben. Die besondere Macht der Ratings liegt natürlich auch darin, dass sie im Gegensatz zu allen Berechnungen von Indizes Trends nicht nur nachvollziehen sondern selber setzen und damit eine Aussage über die Zukunft wagen. Moody's Investors Service sagt dazu: "Because it involves a look into the future, credit rating is by nature subjective. Moreover, because long-term credit judgments involve so many factors unique to particular industries, issuers, and countries, we believe that any attempt to reduce credit rating to a formulaic methodology would be misleading and would lead to serious mistakes. That is why Moody's uses multidisciplinary or "universal" approach to risk analysis, which aims to bring an understanding of all relevant risk factors and viewpoints to every rating." Gerade der universale Anspruch der Perfektionisten von Mood's, Standard und Poor's etc. ist es vielleicht, welcher immer wieder Reflexe von geradezu blindem Gehorsam bei den in der zutiefst patriarchisch geprägten Finanzwelt agierenden Subjekte hervorruft.


d) Subjektivierung: Persönlich zugeschnittene Produkte, individuelle Anlagestrategien

Entlang den vorgezeichneten Linien von Indizes, allgemeinen Informationen und Ratings steht es jeder Bank und jedem Fondsmanager frei, die eigene optimale Formel für Gewinn zu finden und entsprechende Anlageprodukte zu entwickeln. Im Trend liegt dabei die Individualisierung: Die Anlagestrategie wird mit jedem Kunden individuell besprochen und seinen Bedürfnissen entsprechend gestaltet.
Vor dem Hintergrund der Vielfalt der angebotenen Finanzprodukte und der dazu notwendigen beratenden Dienstleistung durch Finanz- oder Anlageberater, wird aus der Geldanlage ein Akt des Konsums. Attraktiv und vielversprechend, weil ich mich nun auch durch den Stil meiner Anlage und die exquisite Wahl meines Portfolios von raren Fonds, Aktien und anderen Finanzprodukten voll zur Geltung bringen kann. In einer Werbebroschüre der Credit Suisse werden die verschiedenen Anlagetypen treffend beschrieben. Die Frage richtet sich persönlich an den Konsumenten von Kapitalanlagen. "Wie sind sie eingestellt, kurzfristig, einkommensorientiert, ausgewogen, dynamisch oder sogar risikobereit? Was ist Ihr Charakter, was entspricht Ihrem Temperament?"


e) Kulturalisierung: Länder und Regionalfonds

Aber die hohe Kunst des Kapitalbesitzes kommt erst dann so richtig zum tragen, wenn es um den Erwerb von Anteilen an Fonds geht. Der Markt bietet mittlerweilen fast alles. Das Prinzip ist banal. Verschiedene Aktienanteile werden zu einem Fond zusammengestellt und Anteile daran an Privatkunden verkauft. Die Eingenheiten des Fonds ergeben sich also aus dem Mix der darin durch Aktienanteile vertretenen Firmen, Branchen, Regionen oder Prinzipien.

(Bild Anzeige Samurai Portfolio)

Eine wichte Rolle spielen dabei die sogenannten Länder und Regionalfonds. In diesen Fonds werden z.B. Aktienanteile von Blue Chips oder andren "Perlen des Aktienmarktes" - wie der Werbetext einer Anzeige für ein Japan-Fond mit dem Name „Samurai Portfolio" sagt - eines bestimmten nationalen Marktes zusammengefasst. Das Individuelle des Portfolios - so suggeriert die Werbung einer bekannten Genfer Privatbank - ergibt sich in diesem Fall auch aus traditionellen nationalen Zuschreibungen und dem damit suggerierten Zugriff auf oder der ratenweise Aneignung und Teilhabe an einem kulturellen Mehrwert. Rechnungen, Zahlen und Prozente sind erneut verschwunden, sichtbar wird der geheimnisvolle ferne Osten, Japan mit seiner - mindestens in der Vorstellung der Marketingchefs der Bank - uns faszinierenden Kultur von Samurais, Essstäbchen und Perlenzucht. Und damit wird einmal mehr deutlich, wie unattatraktiv für die grosse Mehrheit selbst der potentiellen Anleger das Geschäft wäre, ginge es tatsächlich nur um die Rendite.

(Bild Anzeige Osteuropa Fond)
Legende: "Kennen Sie den neuen Osteuropa Fond der Bank Vontobel?" Wenn nicht gibt euch Handlungsbevollmächtigter Mike Klemenz von der Bank Vontobel gerne Auskunft.

Die Bank Vontobel ist eine weitere typische Schweizer Privatbank mit Hauptsitz in Zürich und Filialen unter anderem in der Karibik. Sie ist auf Privat Banking spezialisiert und bietet bereits seit 1995 einen Regionalfond mit Schwerpunkt Osteuropa an. Gemäss der Logik des Wellensurfens, sind hohe Kapitalgewinne nicht nur dort zu erwarte, wo wie in Japan eine erfolgreiche Wirtschaft dafür bürgt sondern auch da, wo Nachholbedarf über einige Jahre hinweg fast zwingend zu steigenden Kurven führt. Die Länder Osteuropas, im Newsletter der Bank auch "Junge Tiger Osteuropas" genannt, sind aus der Perspektive des Finanzmarktes klassische "Emerging Markets". Die zu erwartenden hohen Gewinne ergeben sich aus dem sicheren Wachstum all der im Fonds über Aktienanteile eingebundenen, sozusagen von 0 aus neu startenden Unternehmen. Durch die breite Verteilung des Aktienpakets des Fonds auf verschiedene Blue Chips der verschiedenen, nach finanzpolitischen Kriterien sich bereits konsolidierten Volksökonomien osteuropäischer Länder, wird das Risiko minimiert. Bei drohenden Verlusten in einzelnen Branchen oder Nationen wird der entsprechende Aktienanteil sofort angepasst. So sank z.B. der Anteil der im Fond berücksichtigten russischen Aktien in einem Jahr ca. von 10% auf 2.5%. Der in den Fond anlegende Kunde der Bank Vontobel kann also damit rechnen, dass auf institutioneller Seite alles getan wird, um eine akzeptable Rendite anzubieten, denn ohne diese, wird der Fond als Finanzprodukt hinfällig.

Schon länger sind auch Fonds beliebt, welche Aktienanteile besonders ökologisch oder ethisch korrekt arbeitender Firmen und Branchen vereinen und unter dem Label Öko-Fond oder Ethik-Fond vermarktet werden. Der Kulturalisierung von Kapitalbesitz sind an der Stelle keine Grenzen mehr gesetzt.


f) Historisierung: Was lange währt…

(Bild Grafik was lange währt)

Diesen Herbst erschien im neu kreierten Ressort „Finanztips" einer lokalen Tageszeitung ein Artikel mit dem Titel „Was an der Börse lange Währt, wird gut". Dabei wurde eine Grafik veröffentlicht, welche anhand von drei verschiedenen repräsentativen Indexkurven über den Zeitraum von fast einem Jahrhundert, den ungebrochenen Auffwärtstrend an der Börse zeigen soll. Nach den turbulenten Zeiten der letzten drei Monate, braucht der Finanzmarkt nun dringend wieder eine etwas bessere Presse. Etwa in Form eines Artikels wie dieser hier, wo aus einer Art überkulturellen und historisierenden Perspektive aufgezeigt wird, dass allen sozialen und gesellschaftlichen Katastrophen dieses Jahrhundert zum Trotz, nichts den unaufhaltsamen Aufschwung von Kapital hemmen kann. Die zu dem Zweck auf die Indexkurven des Pioneer Fund von Philip Carret, welcher 1896 geboren wurde und 1939 den angeblichen Klassiker der Börsenliteratur "Die Kunst des Spekulierens" herausgegeben hat, zurückbezogenen Ereignisse der Weltgeschichte sind etwa der Beginn des zweiten Weltkrieges, des Koreakrieges, der Bau der Berliner Mauer, der Iran-Irak-Krieg und der Golf-Krieg. Die etwas sonderbar punktuelle Geschichtsschreibung dient diesmal der Rendite der ausgewählten Anlageprodukte und Indizes und damit auch der historischen Legitimierung des monetären Diskurses über Ökonomie. Im Text wird Wort wörtlich gesagt, dass selbst der 2. Weltkrieg oder der Ölpreisschock in den 70er Jahren nur kurze Zwischenspiele auf dem stetigen Weg nach oben waren. Ungeschminkter kann sich der totalitäre Allmachtsanspruch des Finanzkapitalismus kaum outen.

Was die Kurve hingegen tatsächlich zeigt, ist der ständig wachsende Anteil von Kapital, welches über den dafür eigens erfunden Finanzmarkt gesammelt, konzentriert, kontrolliert und verteilt wird. Vor diesem Hintergrund ist auch die im Moment laufende Mobilisierung privater Sparer zu verstehen. Auch kleine Beträge in grosser Masse vermögen die Welle weiter hochzutreiben und damit den Eindruck von Wachstum und Erfolg zu vermitteln und die Gewinne der paar Wellensurfer zu legitimieren. Selbstverständlich ist es wie beim Roulett. Kontinuierliche Gewinne macht nur, wer das Spiel eingerichtet hat und kontrolliert.



© Peter Spillmann, 11/1998

©psp 2000