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Panoramakarte


Landschaft, Mythos, Aussenraum, Motiv, Sehenswürdigkeit, Erinnerung, Denkmal, Ressource, Aussichtspunkt, Planungsgebiet, Ortschaft, Lebensraum, Wasserfall, Grenze, Natur, Umwelt, Wirtschaftsstandort, Kulturraum, Schutzzone, Einzugsgebiet, Kriegsschauplatz, Übungsgelände, Freizeitparadies, Region, Territorium, Erholungsraum, Zone
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Landschaft: "Landschaft: eine Gegend auf dem Lande, so wie sie sich dem Auge darstellt" (Wörterbuch der Deutschen Sprache, J.H.Campe 1809)
Das "Phänomen Klöntal" ist natürlich nur eine periphere Erscheinung, im Rahmen der Entdeckung und Vereinnahmung des Alpenraums (als Gegenwelt zur städtischen Kultur) durch Künstler, Literaten, Wissenschaftler und Touristen, und dies wiederum ist nur ein Kapitel in der Geschichte der "Erfindung von Landschaft", der kulturelllen Konstruktion von Natur, ihrer ästhetischen Instrumentalisierung und oekonomischen Ausbeutung. Im Zusammenhang mit dem Klöntal lassen sich beispielhaft alle, für die Entwicklung des Alpenraums wesentlichen Merkmale kultureller Besetzungen nachweisen, und auch in Text und Bild dokumentieren.
Zu diesem Zweck wurden auf den folgenden Seiten verschiedene Texte, Beschreibungen und Reiseberichte zusammengetragen, welche eine Fülle von Aussagen über die Deutung, Aneignung, Verwendung und Interpretation von Landschaft enthalten.
Das Klöntal wird dabei bewusst auf Informationen und Beschreibungen reduziert und zu Gunsten eigener, von festen Orten, privatisierten Territorien, kulturellen Machtansprüchen und vermarkteten Emotionen losgelöster Vorstellungen von Landschaft, der Umdeutung preisgegeben.


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Mythos: Der Grund, wieso eine Gegend wie das Klöntal überhaupt Thema sein kann, liegt in einigen Ereignissen, welche ein Jahrhundert zurück liegen, und sich wunderbar eignen, um einen Mythos aufzubauen. Verschiedene spätromantische Dichterseelen und eine Gruppe Maler (Münchnerschule, die Suche nach der idealen Landschaft) haben sich im Laufe der Jahre mehrere Male im Tal aufgehalten. Dank seiner extremen Topografie (sehr steile Berge und ein See), verkörperte für sie das Klöntal auf ideale Weise die damals schon etwas veraltete, aber immer noch aktuelle Vorstellung von wilder, ungezähmter, malerischer Natur (Romantik). Seither werden auf die Frage hin, was denn das Klöntal sei, die damals gesetzten Bilder und Aussagen wiederholt und zitiert, etwa in Zeitungsartikeln ("Unser wild-romantisches Klöntal"), in Prospekten und Reiseführern ("Das hochromantische Klöntal") oder Ausstellungstiteln ("Das Klöntal - Kleinod im Glarnerland"). Dankbare Aufnahme und gute Resonanz finden solche Motive immer dort, wo es darum geht, die eigene (geografische, physische und diskursive) Enge etwas angenehmer auszugestalten.

Textvorschläge:

Heimweh nach dem Klöntal
Hans Trümpi

Die Künstlerkolonie in Vorauen-Richisau

Adolf Frei

Standorte für Maler
Führer für Glarnerland und Walensee, 1897

Das Klönthal
Ernst Buss, 1897



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Aussenraum: Der architektonische Rahmen, welcher fast alle frühen Darstellungen von Landschaften umgibt, ist kein Zufall. Er weist auf das Prinzip der Konstruktion von Landschaft hin. Der vorerst nicht genauer erfasste Aussenraum kann, einmal eingefasst, bezeichnet, beschrieben und dargestellt werden. Er erhält die Bedeutung des Hintergrundes, wärend gleichzeitig die Motive und Personen im Vordergrund dadurch eine räumliche und zeitliche (Lebens-)Perspektive und eine ganz persönliche Aussicht erhalten. Die Landschaft erscheint rückwärts, im Blick zurück, auf den Ort der eigenen Herkunft und den Raum der Vergangenheit, ein Blick, welcher eine Mischung aus einem verstohlen neugierigen und gleichzeitig selbstsicheren, aber leicht verächtlichen Blick ist. Der vorerst noch nicht erkennbare Horizont der neu gewonnenen Perspektive, wird die Vorstellung von einem autonomen Individuum sein.


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Motiv: Braucht es ein unverdächtiges und einfach manipulierbares Motiv, um mit dessen Hilfe, die durch die Jahrhunderte spuckende Vorstellung einer erhabene Dimension der Wahrheit und Schönheit, hinter den Dingen, zu demonstrieren, führt kein Weg an der Landschaft vorbei. Die Landschaft, welche in letzter Konsequenz als ein ästhetisches Konstrukt bezeichnet werden muss, ist im hohen Masse von Bildern abhängig, in welchen die bedeutungslosen Elemente des vorlandschaftlichen Aussenraums arrangiert und komponiert werden und so "den Blick für die Schönheit der Landschaft schärfen". Die Malerei ihrerseits benutzte das Motiv der "Landschafts- und Naturdarstellung", in einer Art Umkehrung der tatsächlichen Gegebenheiten gerne, um ihre Souveränität und Genialität in der Imitation des Realen zu propagieren.

Textvorschläge:

Die Spiegelungen des Klönthalersees
Carl Spitteler, NZZ 11. 10. 1890

Ehrfurcht
Walter Senn



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Sehenswürdigkeit: Zu den wesentlichen Attraktionen und Merkmalen der Landschaft des 19. und 20. Jahrhunderts gehören - aus der westlichen Perspektive - eine Vielzahl kulturgeschichtlicher Zeugnisse, welche als Sehenswürdigkeiten einen festen Platz in jedem Reiseprogramm bekommen. Die oft zufällig erhalten gebliebenen Überreste menschlicher, kultureller Aktivitäten - eigentlich zivilisatorischer Schrott - erwiesen sich als Ideale Objekte, zur Kostruktion und Illustration einer eigenen, kontinuierlichen Geschichte und letztlich zur Legitimation der geltenden Herrschaftsansprüche. Dem Run auf Sehenswürdigkeiten kommt dabei eine rituelle Bedeutung zu. Denn, wer in der Lage ist, die "bedeutenden Stätte der Antike", die "urtümlichen Dörfer und Hütten der Bauern und Hirten" und die "alten Schlösser der Fürsten und Ritter" auf Reisen an sich vorbeiziehen zulassen, übersieht in seiner Euphorie der Verfügbarkeit der Symbole natürlich, dass sich die westliche Kultur im Bezug auf ihre lineare Fortschrittsgeschichte vorallem Illusionen macht.

Textvorschläge:

Richisau
F. Becker 1912



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Souvenir: Die Vorstellungen von einem Ort oder einer Landschaft sind - mindestens wenn es sich um bekannte Orte handelt - lange vor dem Reiseantritt bereits gemacht. Die passenden Bilder, das Wissen über Spezialitäten, bis hin zu den In-Tips, fest im Kopf verankert, treten die Reisenden nur noch an, um sich diese zu bestätigen oder aber um vom Reiseziel enttäuscht zu werden. Reisefotos, Video und Souvenirs dokumentieren den ordnungsgemässen Verlauf.
Das ideale Medium, um die klassischen Ansichten und Vorstellungen von Landschaften festzuhalten und abzubilden, ist nicht etwa die Malerei - diese erwies sich als zu sehr ideologisch motiviert - sondern die Fotografie. Die Kamera, selber ein kleiner, von einem Ort zum andern transportierbarer Raum mit Fenster - wie die Kutsche und das Eisenbahnabteil - ermöglicht dank struktureller Kongruenz mit dem, die Vorstellung von Landschaft konstruierenden Wahrnehmungsdispositiv (ausgewählte Punkte im Raum, Panorama, Sehenswürdigkeiten), eine verblüffend authentische Darstellung. Auf unzähligen Postkarten und privaten Fotografien werden denn auch Sehenswürdigkeiten und Aussichtspunkte festgehalten ; klassische Ausblicke eben, wie das Seebecken von Luzern mit dem Pilatus, die Akropolis in Athen, Eiger, Mönch und Jungfrau und all die andern Bilder, die wir alle sowieso schon lange als eine Art Ballast im Kopf herumtragen.

Textvorschläge:

Standorte für Maler
Führer für Glarnerland und Walensee, 1897



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Denkmal: Es ist schon lange bekannt, dass das persönliche und kollektive Erinnerungsvermögen sehr begrenzt ist und - nicht genug-, dass jedesmal, wenn Ereignisse, zum Beispiel in Form einer Geschichte, weitererzählt werden, diese selbstverständlich den Gegebenheiten angepasst, abgeändert und modifiziert werden, um sicherzugehen, dass der erwartete Unterhaltungseffekt - oder irgend ein anderer beabsichtigter Effekt - eintritt. Hoffnungslos also, ein kulturelles Projekt, welches darauf abzielt, politische, fachliche und psychologische Legitimation aus einer kontinuierlichen, historischen Tradition, aus einer Kette von zusammenhängenden Ereignissen, Entscheidungen und Erfahrungen abzuleiten. Ein solches Projekt - nehmen wir als Beispiel die westliche, patriarchale Kultur - verkommt zum Kriegsschauplatz gegen das Vergessen. Mit grossem Aufwand müssen die täglichen Ereignisse, zu wichtigen Ereignissen, die unumgänglichen Entscheidungen zu bedeutungsvollen und folgenschweren Entscheidungen und die persönlichen Erfahrungen zu einschneidenden Erfahrungen aufgewertet werden.
Der Aufwand, welcher getrieben werden muss, um das Vergessen in Grenzen zu halten, ist erheblich und das Errichten eines Denkmals nur eine - verglichen mit anderen - harmlose Massnahme.
Denkmäler, zumal sie an prominenter Stelle, in der freien Landschaft stehen, wurden im Glaube gebaut, dass die emotional überwältigende "Kraft der Natur" und die "Schönheit des Ortes" als eine Art Anker dienen wird, um eine bestimmte Begebenheit in der Erinnerung festzuhalten. Sicher hat niemand damit gerechnet, dass mit den Jahren auch die Erinnerung an die "Kraft der Natur" und die "Schönheit des Ortes" verblassen wird, und dass dann das Denkmal bestenfalls noch die Rolle einer "Sehenswürdigkeit" im nahen "Erholungsraum" spielen wird.

Textvorschläge:

Das Gessner-Denkmal
Kaspar Freuler, 1897



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Ressource: Abgelegene Gegenden, wie das Glarnerland, waren am Ausgangspunkt der Industrialisierung wesentliche Ressourcen, welche es durch Investitionen von Kapital und Infrastruktur zu erschliessen galt. Bei der Wahl des Standortes stand weniger die "Wasserkraft" oder der "Holzreichtum" im Vordergrund, welche sich für die Gewinnung von mechanischer und später Dampf-Energie eigneten, sondern vielmehr die, in einem engen, labilen und wenig reflektierten Verhältnis zur umgebenden Landschaft lebenden Menschen, welche - durch rasch sich verändernde politische und wirtschaftliche Strukturen - aus traditionellen Versorgungs- und Arbeitszyklen herausgeworfen werden konnten, und mausearm und abhängig wurden. Ihr Lebensraum wurde denn auch, ausgehend von städtischen Zentren, neu definiert, erschlossen (von den Städten aus erreichbar gemacht) und gleichzeitig als Landschaftsraum entdeckt. Die Entwicklung der Industrie und des Tourismus laufen parallel. Damit verbunden ist eine neue, doppelte Sicht auf die Landschaft, welche nun einerseits Energie, Rohstoffe und Arbeitskräfte für die Industrie und Produktion und andererseits Inspiration, Anlass zu philosophischen Utopien und "Naturerlebnisse" für Körper und Seele lieferte.

Textvorschläge:

Die Holzflösser vom Klöntal
J. Weber, 1972

Das Elektrizitätswerk am Löntsch
Dr. E. Buß, 1919


Der Löntsch
J. Vogel von Glarus, 1878



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Aussichtspunkt: Die Landschaft der Industrialisierung ist eine, durch neue technische Medien, vorallem durch die Eisenbahn und das Dampfschiff, vermittelte. Es ist das nunmehr vorbeiziehende Bild von Dörfern, Städten, Bergen Seen. Nicht zufällig spielt der Alpenraum bei der "Entdeckung" der Landschaft eine zentrale Rolle. Voraussetzung für den distanzierten, schweifenden Blick ist eine abwechslungsreiche Topografie, wo Hügel, Berge und Täler Einblicke und Ausblicke erlauben, wo weisse Schneeberge die Ferne und Seen die Weite markieren. Eine Topografie, welche eintönig flach ist, oder wo weitläufige Wälder nie einen Blick auf die Gegend zulassen, eignete sich nicht, um diese neue Idee von Landschaft zu konkretisieren. Es sind innerhalb von Europa genau die klassischen Pionier-Reiseländer wie England, die Schweiz (und die übrigen Alpenregionen), Italien und Griechenland, welche der zeitgenössischen Idee von Landschaft ideal entsprachen. Vielfältig sind denn auch die Bemühungen, diese über unzählige Reiserouten und Aussichtspunkte zu erschliessen, etwa mit der ersten je gebauten Dampfzahnradbahn auf die Rigi vor 125 Jahren, wo sich jetzt im Rahmen der Wagonfenster den faszinierten Gästen in einem beschleunigten Verfahren das "grossartige Panorama" der Schweizer Alpen darstellte.


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Planungsgebiet: Flächendeckende Nutzungsdefinitionen bilden auf den Zonen- und Nutzungsplänen, welche auf entsprechenden Amtsstellen eingesehen werden können, bunte Muster. Lücken sind keine mehr auszumachen, jedem Farbton wird in einer separaten Legende eine Bedeutung zugeordnet: Wohnen E2, Wohnen E3, Öffentliche Nutzung, Industrie, Grünraum, Landwirtschaft, Naturschutzgebiet... Mit den Planungsvorgaben verbinden sich auch formale Vorstellungen, das Bild einer "abwechslungsreich durchgestalteten Gegend" mit bebauten Flächen, sauberen Produktionsanlagen, grünen Erholungsräumen und leistungsfähigen Verkehrswegen. Beide, die Raumplaner von heute und die Dichter von früher, wirken im guten Glauben, den "Eigenheiten der Landschaft" gerecht zu werden und diese "für die Nachwelt zu erhalten". Aber Landschaften werden zuerst im Kopf entdeckt, um über kürzer oder länger tatsächlich in Erscheinung zu treten und um dann erobert und erschlossen zu werden.

Textvorschläge:

Was das Gasthaus "Richisau" alles zu bieten hat
Glarnerland/Walensee, Jahrbuch 1988

Einweihung der Camping-Anlage
Glarner Nachrichten, 17. 10. 1962

Besuch beim Pragelpass-Strassenbau
Glarner Nachrichten, 29.9.1972



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Ortschaft: Die Blicke der täglich und in Massen mit dem Auto Herumreisenden, richten sich geradeaus - durch die Frontschutzscheibe - auf einen Punkt ausserhalb des sichtbaren Raumes, auf ein fernes Ziel, welches angesteuert wird. Die Aufmerksamkeit gilt den überall lauernden Gefahren, unvermittelt bremsende oder die Richtung ändernde Fahrzeuge etwa, sie gilt den zahllosen Signalen und Hinweisen, welche sich als Text der Strasse entlang ziehen. Autoreisende sind ständig gezwungen, anstatt die Aussicht zu betrachten, die Zeit mit Lesen der funktionalen Informationen zu verbringen. Hinter den breiten Betonbändern der Fahrbahn, den Leitplanken und Sicherheitsstreifen, den Signaltafeln und Schallschutzwänden sind in den Zwischenräumen letzte Ausblicke auf bebaute oder brachliegende, meist unbekannte und unbedeutende Landstriche freigeblieben. Dort, wo sich beim Reisen durch die Landschaft des ausgehenden Industriezeitalters noch Bedeutungen auftun, geschieht das in der Regel aufgrund von Beschriftungen, grüne Tafeln mit Namen, welche in uns die Erinnerung an Postkartenbilder wecken, etwa "Glarnerland" oder "Luzern Süd", oder Leuchtsschriften an Gewerbegebäuden, "Alpina" oder "Eternit", Bezeichnungen, welche ein Gefühl von vertrauter Identität und Heimat vermitteln.

Textvorschläge:

Computerschrott auf dem Klöntalersee
LPZ 30.1.1996


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Lebensraum: Landschaft - als ein in erster Linie ästhetisches und philosophisches Projekt - enthält noch lange keine Hinweise, welche auf die reale Situation der dort lebenden Menschen schliessen liesse, deren Kommunikation und wirtschafliche Situation etwa. Erst spät entwickelten Reisende und dann ausgebildete Spezialisten auch dafür ein Interesse. Dabei erstaunt es kaum, dass die Art der Beschreibung und der Vereinnahmung lokaler Strukturen und Rituale nach dem gleichen Muster erfolgt, wie zuvor die Erschliessung der Landschaft.
Alte agraische Strukturen und soziale Netze werden in Form von Anektoten und Geschichten rezipiert. Zusammenhängende Systeme werden durch die punktuelle Erschliessung mittels Text und Verkehrswege in immer kleinere Einheiten aufgeteilt, bis sie schliesslich nicht mehr funktionsfähig sind.

Textvorschläge:

Schilderung des Gebirgsvolkes vom Kanton Glarus- Die Reise von Näfels ins Klöntal
Dr. Johann Gottfried Ebel, 1802

Festgebräuche im Kanton Glarus
Die Alpfahrt, Wildheuet, Der Laubgang, Der Nidelabend
E. Buss, 1900



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Wasserfall: Der Wasserfall vermochte die männlichen Geister der Romantik besonders zu fesseln, die "entfesselte Kraft der Natur" löste heftige psychische Reaktionen aus, Schwermut, Melancholie und Erschauern angesichts der "Nichtigkeit des Menschen". Die grossen Landschaftsgemälde der Romantik zeigen denn auch Felsgebirge, rauschende Wasserfälle und winzig kleine, auf einem gefährlichen Felsvorsprung stehende und knieende Männer - eine Mischung zwischen Abenteurer, Entdecker und Künstler. Was die Bilder nicht zeigen, sind die weit weniger musischen Gemüter, welche längst handfeste Interesse an jeglicher Form "entfesselter Kraft der Natur" entwickelt haben, und diese auch zunehmend zu nutzen wissen. Das grossartig und ästhetisch perfekt ins Szene gesetzte "Naturschauspiel", entpuppt sich in Tat und Wahrheit als eine Form von psychologischer Entlastungshandlung, angesichts der laufenden Umcodierung von "Naturkräften", im Zeichen des anbrechenden Industriezeitalters. Die Ehrfurcht vor der "Macht der Natur" wird derjenigen vor der Technik weichen, welche "die Kraft zu bändigen" weiss und damit die "Überlegenheit des menschlichen Geistes" - nicht bloss in einer malerischen Geste - demonstriert. Das "überwältigende Naturschauspiel" des wilden, rauschendenWasserfalls weicht dem "erhabenen Werk der Technik" in Form von summenden Druckleitungen und dröhnenden Generatoren.

Textvorschläge:

Der Stausee
Eugen Wyhler, 1927



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Grenze: Es ist zu vermuten, dass die bereits reichlich abstrakten Vorstellungen von Besitz und Eigentum- und die noch abstrakteren, wie persönlicher Einflussbereich und Machtanspruch, in der Praxis immer grosses Kopfzerbrechen bereitet haben. Oft genug lassen sich solche Vorstellungen nur mittels roher Gewalt materialisieren. Wenn ein etwas ausgefeilterer moralischer Kodex die Durchsetzung der Ansprüche mit Hilfe der Gewalt vorübergehend in Schranken halten kann, entwickelt sich eine Vielzahl diskursiver, psychologischer oder sozialer Zeichensysteme, um die komplizierten Grenzen der, von unterschiedlichen Interessenten beanspruchten, Territorien zu bezeichnen. Einschreibungen von Grenzen gehören daher sowohl in der psychologischen und gesellschaftlichen, wie in der geografischen Topografie zu den am weitesten verbreiteten Formen der Materialisation von Anspruch auf Herrschaft.
Zu einer Art Kurzschluss, zwischen der geografischen und der psychischen Grenzziehung, kommt es bei einem aus dem süddeutschen und schweizerischen Raum überlieferten Rituale anlässlich einer Grenzsteinsetzung. Die Setzung des Steins wird von einer Delegation wichtiger Personen vorgenommen, dabei ist auch ein Kind, welches alt genug sein muss, um sich an den Anlass ein Leben lang zu erinnern. Im Moment, in welchem der Stein in das ausgehobene Loch gesetzt wird, erhält das Kind eine schallende Ohrfeige.
Das Ritual bezeichnet präzise die zwei entscheidenden Momente, welche territoriale Ansprüche konstituieren und um welche sich jede Form von Herrschaft besonders bemühen wird: Erinnerung und Respekt.


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Natur: Über die Vorstellung von Natur, als ein "natürlicher Zustand" vor der Zivilisation, vor der Sprache und vor dem Bewusstsein, versucht sich eine ganze kulturelle Epoche zu legitimieren, eine Epoche, in welcher Kultur als fortschreitende Funktionalisierung aller Bereiche des Lebens im Dienste der Herrschaft (oder des Kapitals) verstanden, Technologie in erster Linie opportunistisch eingesetzt wird und die nötigen Ressourcen aus verschiedenen, zuvor ausgegrenzten und zur Peripherie erklärten Zonen bezogen werden. Der Einsatz der Konstruktion "Natur" ist in unserer westlich, industrialisierten, in christlicher und humanistischer Tradition gedachten, patriarchalen Kultur zutiefst zwiespältig. Die Idee einer "natürlichen Ordnung", eines natürlichen Zustandes etc. erweist sich in unzähligen Beispielen im religiösen, politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und sozialen Handeln sowohl als entscheidender Anlass und Motivation für entgrenzte Innovation als auch als raffinierter Vorwand, um Restriktionen, Ausgrenzungen und Unterdrückung durchzusetzen.

Textvorschläge:

Die Reise nach Glarus und ins Clönthal
Karl Gotthard Grass, 1796

Der Drache am Glärnisch
Glarner Sage, Kaspar Freuler und Hans Thürer, 1953

Der Stein im Richisau
Karl Prantl, 1988



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Umwelt: Krisen, welche ihren Ausgangspunkt in der instabilen Eigenart der menschlichen Wahrnehmung haben, ziehen Kreise. Sie betreffen nie uns selber, aber z. B. die Wirtschaft oder die Umwelt. Nachdem bereits die Landschaft, als eine Vorstellung von einem geschlossenen, harmonischen Kulturraum, mit der fortschreitenden Industrialisierung in einer grossen Krise untergegangen ist, bereitet nun auch die schon viel neutraler und distanzierter verstandene Umwelt zunehmend Probleme. In einer Art massiven Selbstüberschätzung wird davon ausgegangen, dass eine Umwelt, welche nicht menschenfreundlich ist oder welche unsere Existenz in irgend einer Weise erschwehrt, eine Umwelt in der Krise ist. Die dagegen eingeleiteten Massnahmen werden dementsprechend ernst genommen, Politik, Forschung und Wirtschaft entwickeln eine ungeahnte Dynamik und sind hoch motiviert, wenn es darum geht, die "bedrohte Umwelt" zu "schützen". Der Eifer der "Umwelt-Aktivisten" auf allen Ebenen verwischt in letzter Konsequenz erneut die enge Verknüpfung von Wahrnehmung und Bedeutungszuschreibung. Die Praxis im Umgang mit der "Umwelt in Krise" erinnert an andere, aus der Kulturgeschichte bekannten Rituale, wo mit Tanz, Musik, Opfergaben und weiteren, speziell zu dem Zweck entwickelten Verfahren, alles getan wurde, um zum Beispiel die Sonne am Morgen wieder zum Aufgehen zu bewegen.

Textvorschläge:

Notwendiger Gewässer- und Landschaftsschutz
Glarner Nachrichten, 17.2.1962



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Wirtschaftsstandort: Wirtschaftsstandorte haben in den 90 er Jahren Konjunktur. Jede Stadt, jede Region und jede noch so kleine Gemeinde entdeckt ihr Alter Ego als Wirtschaftsstandort. Natürlich braucht's dazu einige spezielle Fähigkeiten, die sich, so belehrt uns die einschlägige Literatur, welche mittlerweilen auch Politiker aller Klassen eifrig studieren, am globalen Wettbewerb messen lassen müssen. Das postmoderne Postulat der Globalität hat auch in der Wirtschaft als neuer Trend voll eingeschlagen. Wie genau funktioniert denn nun dieser Wettbewerb, wer eigentlich darf da mitspielen, von wem wird er veranstaltet und - das wichtigste bei jedem Wettbewerb - was gibt's zu gewinnen? Teilnehmen kann, wer aufwendig gestaltete Broschüren oder Videos möglichst weit herum verteilt, welche eine Reihe von - übrigens immer gleichen - schlagenden Argumenten für die Einzigartigkeit des Standortes enthalten. Noch besser liegt im Rennen, wer eigens zu diesem Zweck eine Amtsstelle einrichtet. Zu gewinnen gibt's reiche Investoren, welche sich freischwebend, rund um den Globus bewegen und sich vielleicht mit Tricks überreden lassen, da zu bleiben.
Der eigentliche, tiefere Sinn des Wettbewerbs liegt aber in einer lokal nicht mehr kontrollierbaren Deregulierung, welche den grossen Unternehmen Tore und Türe öffnet, um mit noch weniger Verantwortung, an noch mehr Orten, noch grössere Deals zu machen. Das suggestive Gerede vom globalen Markt degradiert den einzelnen "Standort" zum austauschbaren, von anonymen (und meist inexistenten) Wunschinvestoren abhängigen "Krisengebiet". Das zunehmend passive, auf "Hilfe von aussen" - um nicht zu sagen von oben - ausgerichtete, wirtschaftliche Selbstverständnis weiter Gebiete und Regionen wiederum, zeugt, nicht zuletzt angesichts eines Potentials von 18 Millionen Arbeitslosen allein in der EU, von einer geradezu unverschämten Einfallslosigkeit.


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Download-Version: Die Klöntal Web Page Materialien zur Dekonstruktion einer Landschaft enthält ein umfangreiches Textarchiv. Wer sich etwas genauer darin umsehen oder intensiver damit arbeiten möchte, kann eine komplette Version herunterladen, um sie in Zukunft bequemer und schneller off-line zu betrachten! (ca. 1.5 MB)


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